Immobilienkauf: So gehen Sie beim Besichtigungstermin vor
Sie haben eine interessante Immobilie gefunden und Kontakt zum Käufer aufgenommen. Nun steht der Besichtigungstermin an. Für viele Käufer ist das ein sehr spannender Teil beim Immobilienkauf. Denn sie befürchten, viel falsch zu machen oder Dinge zu vergessen.
Mit etwas Vorbereitung gelingt ein solcher Termin jedoch und Sie können bei Gefallen in Verhandlungen mit dem Verkäufer eintreten. Wir erläutern Ihnen in diesem Artikel, worauf Sie beim Besichtigungstermin achten sollten. Wir geben Ihnen Tipps, um mögliche Risiken zu minimieren und wertvolle Informationen für die Preisverhandlung zu erhalten.
Vorab: Unterlagen beschaffen
Es ist nicht zwingend erforderlich, sich vorher Unterlagen zu beschaffen oder diese einzusehen. Wenn Sie welche vorliegen haben, umso besser. Es kann nämlich ein Vorteil sein, selbst die Besonderheiten der Immobilie zu prüfen. Wenn genug Zeit ist, werfen Sie einen Blick
- in das Grundbuch (beim Verkäufer abrufbar oder bei der Gemeinde, nicht alles ist öffentlich einsehbar – zum Prüfen von ersten Informationen),
- auf die Flurstückkarte (beim Katasteramt der Gemeinde – zum Überprüfen der Lage, des Grundstücks und der umliegenden Parzellen),
- in eine mögliche Altlastenbescheinigung (beim Bauamt abrufbar – zum Prüfen eines Sanierungsbedarfs des Bodens),
- in die Baupläne (bei der Gemeinde – um mögliche zukünftige angrenzende Bauten zu erkennen oder das Risiko einer finanziellen Beteiligung an öffentlichen Maßnahmen auszuloten),
- auf den Energieausweis (bekommen Sie vom Verkäufer – um den Energiebedarf abschätzen zu können).
Diese Dokumente können Ihnen helfen, Informationen zu sammeln, die Sie beim Besichtigen für gezielte Fragen oder später in Verhandlungen einbeziehen können. Sie können den Termin jedoch auch ohne dieses Wissen wahrnehmen und die Daten später abfragen.
Vorbereitung: Termin bei Tageslicht und mit „Ausrüstung“
Vereinbaren Sie einen Termin bei Tageslicht. Es ist ein riesiger Unterschied, ob Sie eine Lampe benötigen oder die Sonne einige Details „ans Licht bringt“. Sie bekommen ein viel besseres, wohnliches Gefühl von dem Haus oder der Wohnung und erkennen schneller kleine oder große Mängel.
Bevor es losgeht, stecken Sie einen Zollstock ein und greifen Sie zu Stift und Notizbuch. Denn Sie sollten sich Notizen machen und bei Bedarf Maße überprüfen.
Ebenfalls wichtig: Bringen Sie nach Möglichkeit einen Ausweis und eine Finanzierungsbestätigung der Bank bzw. einen Vermögens- oder Einkommensnachweis mit. Diese Dokumente sind zwar nicht zwingend erforderlich. Sollten Sie diese jedoch vorlegen, sammeln Sie jedoch direkt Pluspunkte und schaffen ein Vertrauensverhältnis. Mehr dazu finden Sie in unserem Ratgeber zum Thema Unterlagen für den Hauskauf.
Begleitung mitnehmen – oder nicht?
Viele Kaufinteressenten fühlen sich in Begleitung wohler. Nehmen Sie bei Bedarf eine Person mit, denn vier Augen sehen mehr. Fragen Sie jedoch vorab, ob der Verkäufer einverstanden ist. Das schafft weiteres Vertrauen.
Ein Sachverständiger ist ein wertvoller Begleiter
Sie sollten die Immobilie immer mit einem Sachverständigen begutachten. Üblich ist es, dazu einen zweiten Termin zu nutzen. Im ersten Durchgang schauen Sie selbst auf relevante Stellen und potenzielle Mängel. Sie bekommen einen Eindruck von der Immobilie und ein Gespür, ob Sie überhaupt kaufen wollen. Bei Nichtgefallen müssen Sie dann keine Kosten für einen Sachverständigen zahlen, den Sie gar nicht benötigen.
Es ist jedoch durchaus möglich, bereits beim ersten Termin einen solchen Dienstleister mitzunehmen. Sprechen Sie auch diese Begleitung mit dem Verkäufer ab.
Planen Sie genug Zeit zur Besichtigung ein!
Planen Sie genug Zeit ein, um das Haus intensiv begutachten zu können. Das gilt besonders, wenn Sie bereits einen Sachverständigen mitbringen möchten. Das ist ein Punkt, den Sie mit dem Verkäufer klären sollten. Vereinbaren Sie wenigstens eine Stunde für die Erstbesichtigung.
Ihr Auftritt: der richtige Umgang mit dem Verkäufer
Beim Besichtigungstermin gilt: Seien Sie pünktlich! Verspätungen schaffen ein negatives Klima, das sich nachteilig auswirken kann. Seien Sie gegenüber dem Verkäufer höflich und zuvorkommend, halten Sie etwas Small Talk und geben Sie sich offen, ohne jedoch auf die persönliche Ebene zu wechseln.
Bei der Kleidung ist ein „gewisser Anstand“ vorteilhaft, aber ein Anzug oder Kostüm sowie Businessschuhe und High Heels sind eher nachteilig. Denken Sie daran, dass Sie bei der Besichtigung auch das Dach, Kellerräume und den Garten besichtigen. Dabei kann auch eine Leiter zu erklimmen sein.
Wichtig bei allem: Vermitteln Sie einen guten Eindruck von sich als potenziellen Käufer. Bestechen Sie durch gute Umgangsformen und versuchen Sie sich, auf den Gegenüber einzustellen. Damit schaffen Sie eine angenehme, vertrauensvolle Ebene, die nicht zwingend geschäftsmäßig sein muss.
Es gibt völlig verschiedene Typen von Verkäufern und Käufern. Die einen sind typische Verkaufstalente oder „Dampfplauderer“, andere sind zurückhaltend und wirken sperrig. Für Sie ist es wichtig, dass Sie sich selbst treu bleiben, zugleich aber während des Besichtigungstermins Ihren Gegenüber zu „lesen“. Versuchen Sie, eine gemeinsame „Sprache“ zu finden. Es ist übrigens normal, dass beide Seiten angespannt sind und erst zueinanderfinden müssen. Genau das unterstützen Sie, wenn Sie sich möglichst offen und herzlich geben.
Strukturiertes Begehen des Gebäudes und des Grundstücks
Die Besichtigung selbst sollten Sie systematisch angehen. Starten Sie im Keller oder Boden und gehen Sie dann Stück für Stück nach oben bzw. unten voran. Schließen Sie den Außenbereich an oder stellen Sie diesen voran. In welcher Reihenfolge Sie auch vorgehen: Achten Sie darauf, jeden einzelnen Raum zu begutachten.
Prüfen Sie in jedem Raum den Zustand, begutachten Sie technische Details und Ausstattung. Machen Sie sich zu jedem Raum Notizen. Stellen Sie Fragen zu Renovierungen, Modernisierungen, zum energetischen Zustand und zur Haustechnik.
Was sollten Sie bei der Hausbesichtigung besonders prüfen?
Versuchen Sie bereits bei der ersten Besichtigung grobe Mängel zu erkennen. Wir haben eine Liste von typischen Baumängeln mit Tipps zum Erkennen veröffentlicht. Auch ohne Sachverständigen können Sie so bereits einige potenziellen Probleme erkennen – wenn es sie denn gibt.
Achten Sie aber generell auf Details, denn alles kann preisrelevant sein. Neben Anzeichen für typische Mängel sind das unter anderem:
- Substanz, Zustand und Erscheinungsbild,
- Qualität von Fenster und Türen,
- Dämmung der Außenwände, des Dachs und des Kellers,
- allgemeiner energetischer Zustand,
- Alter und Zustand der Heizungsanlage,
- Zustand des Dachs,
- Zustand des Kellers, besonders der Wände,
- Qualität und Zustand der Versorgungsleitungen und -rohre,
- Anzahl, Lage und Funktionalität von Anschlüssen für Strom, Wasser und – wenn möglich – Internet (hier auch die Leistung abfragen),
- Zustand der Außenanlage, des Gartens, von Terrassen, Balkonen und Carports/Garagen.
Üblicherweise erst nach einer Besichtigung prüfen Sie anhand von Unterlagen außerdem besondere Lasten im Grundbuch, WEG-Protokolle und Besonderheiten (bei Wohnungseigentümergemeinschaften), Einnahmen und Kosten (bei Mietwohnungen). Sie können und sollten jedoch schon während des Besichtigungstermins nach entsprechenden Besonderheiten fragen und sich Notizen machen.
Die Haftung des Verkäufers
Wichtig für Sie: Der Verkäufer haftet für Mängel. Fragen Sie daher explizit in jedem Raum und zu jeder Technik, ob es bekannte Mängel gibt, ob es Schäden gab oder andere Probleme bekannt sind. Notieren Sie sich diese Angaben.
Da im Kaufvertrag üblicherweise jedoch versteckte Mängel von der Haftung ausgeschlossen sind, sollten Sie dennoch selbst genau hinsehen und einen Sachverständigen bei einer weiteren Besichtigung hinzuziehen.
Gehen Sie geschickt vor: Wenn Sie einen Mangel entdecken, machen Sie sich eine Notiz. Sprechen Sie den Verkäufer jedoch vorerst nicht darauf an. Vergewissern Sie sich bei Ihrem Sachverständigen, wie groß der Mangel ist. Sie vermeiden so zum einen eine als Kritik interpretierbare Äußerung. Zum anderen können Sie mit diesem Wissen entweder den Kauf ausschließen oder später den Preis besser verhandeln.
Mehr Fragen, mehr Wissen!
Es klang schon mehrfach durch: Stellen Sie Fragen! Je mehr Sie über die Immobilie erfahren, desto leichter wird Ihnen die Entscheidung fallen. Fragen Sie zur Vergewisserung auch noch einmal Standards ab: Baujahr, Fläche, Grundstücksgröße. Gibt es Besonderheiten bei der Wasserversorgung oder Heiztechnik? Besteht bei besonderen Witterungsverhältnissen eine Gefahr (Hochwasser, Grundwasserspiegel, exponierte Windlage usw.)?
Stellen Sie außerdem unbedingt Fragen zu erkennbar gerade erledigten Renovierungsarbeiten: Gab es eventuell einen Schaden oder wollte der Verkäufer nur seine Immobilie vor dem Verkauf nur etwas „aufhübschen“? Ebenfalls interessant: Wann war die letzte Sanierung, was wurde wann modernisiert?
Besonders wichtig ist die Frage nach dem Verkaufsgrund. Je nach Situation können Sie eventuell eine Notlage des Verkäufers erkennen und so später den Preis herunterhandeln. Besonders bei Scheidungen, beruflichen Veränderungen oder Erbengemeinschaften ist es häufig möglich, den Preis später zu drücken.
Schließen Sie Fragen zur Nachbarschaft ein: Wer wohnt nebenan? Gab es Probleme in der Nachbarschaft? Wie stark ist der Straßenlärm? Welche Infrastruktur ist vor Ort vorhanden? Sind öffentliche Baumaßnahmen oder Erschließungen geplant?
Bei vermieteten Immobilien ist es sinnvoll, nach finanziellen Eckdaten wie Einnahmen und Ausgaben, Mietpreishöhe und nach einer vorhandenen Hausverwaltung zu fragen. Ebenso sollten Sie gezielt nach Problemen mit Mietern fragen.
Verschieben Sie Zusagen und Verhandlungen
Wenn Sie alles gesehen und Ihre Fragen gestellt haben, kommt der Abschied. Machen Sie keine Zusagen und verhandeln Sie beim Besichtigungstermin auch nicht den Preis!
Erbeten Sie sich mehrere Tage Bedenkzeit. Der einfache Grund: Sie werden in Ruhe über einen Kauf nachdenken wollen. Gehen Sie dazu später noch einmal die Eindrücke und Notizen durch. Würden Sie bereits bei der Besichtigung eine Zusage machen oder den Preis jetzt schon in eine bestimmte Richtung schieben, ist das möglicherweise für Sie nachteilig.
Seriöse Verkäufer werden Ihnen die Zeit zugestehen. Anders als beim Vermieten, geht es beim Kauf einer Immobilie immerhin um eine enorme Investition, die gut überlegt sein sollte.
Setzen Sie abschließend gemeinsam mit dem Verkäufer Daten für das weitere Vorgehen fest: Nennen Sie den Termin, bis wann Sie sich melden. Fragen Sie bereits einen zweiten Termin mit einem Sachverständigen. Nennen Sie einen ungefähren Zeitrahmen, bis wann Ihre Finanzierung steht, sofern das noch nicht der Fall ist. Bitten Sie ebenfalls um eventuell ausstehende Unterlagen des Verkäufers bis zu einem bestimmten Datum.
Danach können Sie sich verabschieden. Prüfen Sie nach dem Besichtigungstermin Ihre Notizen und nutzen Sie einen zweiten Termin zur intensiven Begutachtung. Erst danach haben Sie alle Informationen, um bei weiter bestehendem Interesse den Preis zu verhandeln und den Kaufabschluss anzustreben.