Ärgernis Vorfälligkeitsentschädigung: So umgehen Sie die Kosten
Eine Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) ist mit einem großen finanziellen Nachteil verbunden. Daher möchten Sie diese Zahlung vermeiden. Wir erklären Ihnen, was eine VFE ist, wie Sie diese umgehen und wann sie sogar rechtswidrig sein kann.
Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?
Beim Abschluss eines Immobiliendarlehens setzen die meisten Käufer auf eine Zinsbindung. Ein Annuitätendarlehen oder ein Volltilgerdarlehen sind gängige Wege, um den Kaufpreis zu stemmen. Im Normalfall bleiben Sie während der Vertragslaufzeit Ihrer Bank treu. Doch es kann Ausnahmen geben, die Sie zu einem Wechsel der Bank oder eine vorzeitige Ablöse verleiten:
- Die Zinsbindung ist ein Nachteil, da der Marktzins deutlich unter den vereinbarten Zinssatz fällt.
- Das Verhältnis von Bank und Schuldner hat sich über die Jahre verschlechtert.
- Sie haben die Immobilie verkauft.
- Sie benötigen einen neuen Kredit oder möchten Ihren aufstocken, aber andere Banken bieten attraktivere Konditionen.
Sie können einen Kreditvertrag jedoch nicht in allen Fällen vorzeitig beenden. Sie müssen ein berechtigtes Interesse nachweisen. Bei den oben genannten vier Punkte sind das lediglich die letzten beiden Aspekte (Verkauf und zusätzlicher Kreditbedarf).
Das Problem: Sofern Sie Ihren Kredit mit Zinsbindung vorzeitig ablösen oder eine Umschuldung vornehmen möchten, kann die Bank eine Gebühr für entgangene Einnahmen verlangen. Das ist die Vorfälligkeitsentschädigung. Rechtsgrundlage ist das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 490 Abs 2 BGB).
Sie zahlen dann einen Teil der eigentlich noch bis zum Abzahlen des Kredites zu zahlenden Zinsen an die Bank. Denn dieser entgehen unter anderem die Zinszahlungen zwischen Ausstieg und eigentlichem Ende der Kreditlaufzeit.
Wichtig: Bei Darlehen mit einem variablen Zinssatz darf die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen!
Vorfälligkeitsgebühr berechnen: Streit ist vorprogrammiert
Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsgebühr sind zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen zu vereinen. Zum einen reklamiert die Bank als Kreditgeber für sich einen Verdienstausfall (Margenschaden). Denn das Ihnen zur Verfügung gestellte Geld hätte anderweitig angelegt werden können. So entgehen dem Kreditgeber nicht nur die Zinsen, sondern möglicherweise weitere Einnahmen (Refinanzierungsschaden). Zum anderen sehen Kreditnehmer in der Regel nicht ein, warum Sie dem Vertragspartner überhaupt eine Gebühr zahlen müssen.Da es keine fixen prozentualen Vorgaben durch amtliche Urteile oder Gesetze gibt, können Banken die Vorfälligkeitsgebühr frei berechnen. Die Gebühren müssen allerdings nachvollziehbar sein und einer fachlichen Überprüfung standhalten. In der Regel können Sie als Kreditnehmer damit rechnen, dass die Banken rund zehn Prozent des Restdarlehens als VFE in Rechnung stellen.
Aber: Viele Experten und Verbraucherschutzorganisationen sehen diesen Prozentsatz als zu hoch an. Es gibt Berechnungen, dass die verlangten Summen in der Regel um mindestens fünf Prozent abgemildert werden müssen.
Schalten Sie einen Experten ein!
Die Bank als Kreditgeber muss Ihnen eine ausführliche und detaillierte Berechnung Ihrer Kosten überreichen. Aus der Berechnung müssen konkrete Summen und Hinweise hervorgehen, wie sich die VFE zusammensetzt.
Sie sollten unbedingt einen fachkundigen Experten um Rat fragen. Denn die Berechnung der VFE ist sehr komplex und es geht um enorme Summen. Als Kreditnehmer haben Sie normalerweise keine ausreichende Kompetenz, um alle Einzelheiten der Berechnung fachgerecht zu prüfen. Das übernehmen für Sie unabhängige Experten. Zur Verfügung stehen Ihnen:
- Verbraucherschutzorganisationen wie die Verbraucherzentralen.
- freie Finanzierungsberater,
- fachkundige, auf dieses Thema spezialisierte Anwälte.
Erste Anhaltspunkte geben außerdem Online-Rechner. Diese sind meistens für eine Einzelfallbetrachtung nicht genau genug. Aber die Ergebnisse liefern eine Tendenz, ob die Bank korrekt gerechnet hat.
Die Überprüfung und Berechnung der Experten wird in vielen Fällen zeigen, dass die VFE überhöht erscheint. Entsprechende Begründungen liefern diese Dienstleister mit.
Gegenvorschlag machen, Rechtsweg vermeiden
Sobald Sie das Ergebnis der Überprüfung haben, sollten Sie sich damit an die Bank wenden. Erklären Sie, dass Sie eine Expertenberechnung haben, die eine zu hohe Vorfälligkeitsentschädigung zeigt. Bitten Sie die Bank, den Betrag nach unten zu korrigieren. Häufig ist es möglich, sich auf eine niedrigere Summe zu einigen.
Sollte eine Einigung nicht möglich sein, bleibt Ihnen nur der Rechtsweg. Prüfen Sie dazu, ob Sie eine Rechtsschutzversicherung haben und diese die Kosten für einen solchen Rechtsstreit übernimmt. Das ist nicht bei allen Versicherungen der Fall.
Kommt es zum juristischen Streit, sollten Sie bedenken, dass Ihnen die Bank zukünftig sehr wahrscheinlich nicht wieder als potenzieller Kreditgeber zur Verfügung steht. Nutzen Sie Ihr Fingerspitzengefühl, ob sich ein Rechtsstreit wirklich lohnt.
Besonderheiten bei Sondertilgungsmöglichkeiten
Bei der Berechnung der VFE darf die Bank Sondertilgungsmöglichkeiten nicht unter den Tisch fallen lassen. Es spielt keine Rolle, ob Sie die Option genutzt haben oder nicht. Denn allein die Möglichkeit reduziert den Schaden für die Bank. Daher muss diese bei Ihrer Berechnung die Sondertilgungsmöglichkeiten berücksichtigen. Ein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2016 ist rechtswirksam (Az. VI ZR 388/14).
Ausnahme: außerordentliche Kündigung durch die Bank
Ein Sonderfall liegt vor, wenn nicht Sie, sondern Ihre Bank den Kreditvertrag vorzeitig kündigen möchte. Dann darf die Bank keine VFE verlangen. Das gilt selbst dann, wenn Sie mit Ihrer Ratenzahlung im Rückstand sind und die Bank als Reaktion darauf den Vertrag vorzeitig kündigt. Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist nur dann zu leisten, wenn Sie den Kreditvertrag vorzeitig beenden möchten.
Tipps: So können Sie eine Vorfälligkeitsentschädigung umgehen
Die rechtlichen Möglichkeiten sind begrenzt, einen Kreditvertrag zu kündigen. In der Regel kommen Sie um eine Ausgleichszahlung an die Bank nicht herum. Allerdings gibt es mehrere Ausnahmen. Trifft eine davon auf Ihre Situation zu, ist keine Vorfälligkeitsentschädigung zu leisten. Die Ausnahmen sind durch Gesetze oder höchstrichterliche Urteile abgesichert.
Ausnahme 1: vorzeitige Kündigung nach zehn Jahren
Sie können einen Kreditvertrag mit Zinsbindung nach zehn Jahren kündigen. Das erlaubt das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 489 Abs 1 Nr. 2 BGB). In diesem Fall ist keine Ausgleichszahlung zu leisten.
Bei der Berechnung gilt der Tag der Auszahlung als Stichtag. Da Sie zusätzlich eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einhalten müssen, ist die Ablöse oder vorzeitige Rückzahlung erst nach zehneinhalb Jahren möglich.
Ausnahme 2: unklare Vertragsbedingungen
Prüfen Sie Ihren Kreditvertrag. Seit 21. März 2016 gilt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Demnach sind Banken verpflichtet, ihre Kunden über die Vorfälligkeitsentschädigung zu informieren und die Berechnung zu erläutern. Das gehört zu den Informationspflichten der Kreditgeber. Sind die Angaben unklar oder unvollständig, kann der Anspruch auf eine VFE entfallen. Sie können in diesem Fall sogar bis zu drei Jahre rückwirkend eine geleistete Zahlung zurückverlangen. Zur Beurteilung Ihres Vertrages sollten Sie eine Verbraucherschutzorganisation, einen spezialisierten Finanzberater oder einen Fachanwalt einschalten.
Ausnahme 3: fehlerhafte Widerrufsbelehrung
Eine etwas andere Herangehensweise bietet eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Obwohl es dazu eine klare Rechtsprechung gibt, enthalten viele Kreditverträge fehlerhafte Passagen in der Widerrufsbelehrung. Das gilt insbesondere bei bereits lange laufenden Immobiliendarlehen. Solche Fehler berechtigen Sie dazu, den Kreditvertrag zu widerrufen. In diesem Fall zahlen Sie die Kreditsumme zurück, verzichten jedoch auf die Vorfälligkeitsgebühr. Dieses Vorgehen kann allerdings in einen Rechtsstreit münden und zerrüttet das Verhältnis zu Ihrer Bank.
Fazit: Wählen Sie den optimalen Immobilienkredit
Mit dem Kauf einer Immobilie binden Sie sich lange an eine Bank. Prüfen Sie daher sehr genau, mit welchem Partner Sie Ihre Immobilie finanzieren und mit welcher Kreditart Sie das für Sie günstigste Paket schnüren können. Bei Verträgen mit einer Zinsbindung können Sie nur aus berechtigtem Interesse den Vertrag kündigen und müssen eine Vorfälligkeitsentschädigung leisten. Ausnahmen sind nur bei Vertragsfehlern oder nach zehn Jahren möglich.
Wenn Sie absehen können, dass Sie lieber flexibel bleiben möchten, sollten Sie keine Zinsbindung eingehen. Kreditverträge ohne festen Zins sind zwar ein Risiko, bei einer frühzeitigen Vertragsbeendigung ist jedoch keine Vorfälligkeitsentschädigung zu leisten.