Zwangsversteigerungen – eine Alternative zum „klassischen“ Immobilienkauf?
Wie kommt es zu einer Zwangsversteigerung?
Sehr oft beginnt es mit Überschuldung: Kredite können nicht weiter abbezahlt werden, die Zinsen sind – wie derzeit leider wieder – stark gestiegen, Folgekredite nicht mehr leistbar. Es können aber auch persönliche Gründe sein: Scheidung, Arbeitslosigkeit oder langwierige, folgenschwere Krankheiten zum Beispiel. Das ist schon der erste Punkt, aus dem Zwangsversteigerungen oft ein „Gschmäckle“ haben, wie der Schwabe sagt: Das Unglück anderer Menschen kann doch kaum dazu führen, dass andere sich plötzlich ihren Traum vom Wohnglück erfüllen können! Manchmal stimmt das wirklich. Und manchmal sind die ehemaligen Eigentümer auch so verzweifelt, dass sie die Immobilie absichtlich vermüllt, verdreckt, sogar zerstört hinterlassen. Aber es gibt auch ganz andere Beispiele: Etwa, wenn der bisherige Mieter die Immobilie von seinem ehemaligen Vermieter kaufen kann, der Insolvenz anmelden musste.
In solchen Fällen lässt sich wirklich von einem Glücksfall für die neuen Eigentümer sprechen. Halten wir also fest: Glück und Unglück können durchaus Faktoren sein, die eine Zwangsversteigerung begleiten. Denn auf der anderen Seite: Bei dieser Form von Immobilienerwerb gibt es absolut keine Gewährleistungsansprüche in Bezug auf den Zustand der Immobilie.Wenn feststeht, dass der bisherige Eigentümer seinen Zahlungspflichten nicht mehr nachkommen kann, ist es meist die kreditgebende Bank, die erst mit der Kredit-Kündigung droht und dann die Zwangsversteigerung in die Wege leitet.
Vorher gibt es allerdings noch ein paar Instrumente, mit denen die bisherigen Eigentümer versuchen können, eine Zwangsversteigerung zu verhindern. Wer in so eine Situation zu geraten droht, sollte dringend so schnell wie möglich das Gespräch mit der kreditgebenden Bank suchen. In manchen Fällen kann die Zwangsversteigerung verhindert werden, wenn sich beide Seiten auf eine Verringerung oder zeitweilige Aussetzung der Tilgung einigen. Auch Stundung oder Umschuldung des Darlehens sowie eine Vermietung der Immobilie können Möglichkeiten sein. Geht das alles nicht, hat der Eigentümer noch die Option, die Immobilie „freihändig“ zu verkaufen, bevor ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet wird
Gelingt auch das nicht, kommt der Punkt, an dem die Bank eine Zwangsversteigerung beantragt. Dann ordnet das zuständige Amtsgericht sie nach eingehender Prüfung an. Der Schuldner erhält eine Rechtsbelehrung, in der er über die Möglichkeit informiert wird, binnen einer Notfrist von zwei Wochen die einstweilige Einstellung des Verfahrens zu beantragen. Geschieht auch das nicht, folgt die Anweisung an das Grundbuchamt, den Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch einzutragen. Alle Gläubiger und Verfahrensbeteiligten werden darüber unterrichtet und jetzt ist die Zwangsversteigerung „amtlich“.
Der weitere Ablauf sieht vor, dass der Verkehrswert der zu versteigernden Immobilie ermittelt wird. Hierfür muss der Gläubiger einen Vorschuss zahlen – zwischen 750 bis 1.000 Euro. Der damit ermittelte Verkehrswert ist der Dreh- und Angelpunkt, um den sich in der Zwangsversteigerung dann alles drehen wird.
Welche Immobilien können zwangsversteigert werden?
Es geht hier keineswegs nur um Wohnraum – aber auch. Zur Zwangsversteigerung kommen können: Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen, Einstell- und Parkplätze, Erbbaurechte, Garagen, Gewerbegrundstücke, Grundstücke, unbebaut oder bebaut, Mehrfamilienhäuser und Teileigentumsrechte.
Wie erfahren mögliche Interessenten von der Zwangsversteigerung?
Erst muss die Erstellung des Gutachtens zur Ermittlung des Verkehrswerts erfolgen. Eine Abschrift davon sendet das Amtsgericht an Schuldner und Gläubiger. Beiden Parteien wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt, danach legt das Amtsgericht den Verkehrswert der Immobilie per Beschluss fest – wobei es fast immer der Empfehlung des Gutachters folgt - und bestimmt den Zwangsversteigerungstermin.
Hier beginnt schon eine der oben erwähnten Halbwahrheiten: Zwangsversteigerungen sind von öffentlichem Interesse, werden von den zuständigen Amtsgerichten durchgeführt. Und die Informationen über Termine sind in aller Regel kostenlos. Dafür müssen keine teuren Infodienste abonniert werden!
Versteigerungstermine werden öffentlich im Internet und/oder dem kommunalen Amtsblatt bekanntgegeben. Ergänzend gibt es meistens noch einen Aushang im zuständigen Amtsgericht. Alle Unterlagen zum Grundstück wie das Gutachten sind dann beim Amtsgericht für Interessenten einsehbar. Viele Amtsgerichte stellen auch (gekürzte) Fassungen des Gutachtens online.
Und wie kann ich ein Zwangsversteigerungsobjekt kaufen?
Wenn Verkehrswert und Termin öffentlich sind, gibt es im Wesentlichen zwei Wege, um die Immobilie zu erwerben.
Manchmal – nicht immer! – werden in der Ausschreibung schon Name und Kontaktdaten des Gläubigers genannt. Wer die Immobilie jetzt noch „freihändig“ erwerben möchte, kann das tun. Vorausgesetzt, alle Beteiligten stimmen zu. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn auf diesem Weg wird der Preis wohl höher ausfallen als während der Zwangsversteigerung. Nach Zahlung des Kaufpreises würde dann der Antrag auf Zwangsversteigerung durch den Gläubiger zurückgenommen und das gerichtliche Verfahren hat sich damit erledigt.
Der andere Weg ist natürlich, auf den Zwangsversteigerungstermin zu warten. Dann beginnt der klassische Versteigerungsprozess: In der Bekanntmachung benennt ein Rechtspfleger den Gläubiger, informiert über vorhandene Grundbucheintragungen und nennt das geringstmögliche Gebot. In diesem Moment haben Schuldner noch einmal die Gelegenheit, Ansprüche anzumelden. Geschieht dies nicht, beginnt die Bietzeit. Die dauert in der Regel 30 bis 60 Minuten, eine Höchstdauer gibt es nicht. In dieser Zeit können Interessenten ihre Gebote mündlich vortragen. Dabei gibt es diverse Pflichten: Sie müssen sich ausweisen und spätestens nach der Abgabe eines Gebots zehn Prozent des Verkehrswerts der Immobilie als Sicherheit nachweisen können. Das kann mit Hilfe der Bürgschaft einer Bank geschehen. Oder durch einen Bundesbank- oder Verrechnungsscheck, der nicht älter als drei Tage sein darf. Oder man macht bereits vor dem Versteigerungstermin eine Überweisung in Höhe von 10 Prozent der Kaufsumme auf das Konto der Gerichtskasse. Letzteres ist natürlich schwierig, weil man die endgültige Summe ja noch gar nicht kennt. Experten raten allerdings dazu, sich eine eigene Obergrenze zu setzen: Was will ich maximal bieten?
Das Maximalgebot
Im ersten Versteigerungstermin liegt die „übliche Grenze“ bei 70 Prozent des Verkehrswerts. So wurde das Zwangsversteigerungsverfahren ursprünglich konzipiert. Und danach konnte ein zweiter Termin folgen. Wenn im ersten Termin keine 70 Prozent erreicht wurden, sollte es einen zweiten Termin geben, in dem mindestens 50 Prozent erreicht werden sollten, erst dann sollten die „Wertgrenzen“ wegfallen.
Nur: Die Praxis sieht mittlerweile ganz anders aus. Erstens sinkt die Zahl der Immobilien, die es überhaupt zu einem Zwangsversteigerungstermin bringen, kontinuierlich. So überhitzt und leergefegt ist der Immobilienmarkt mittlerweile. Zum anderen beobachten Experten seit langem, dass die 70-Prozent-Grenze des Maximalgebots bei vielen Zwangsversteigerungsverfahren schon gar nicht mehr eingehalten wird. Im Gegenteil: Häufig nähert sich das Schlussgebot dem Verkehrswert an. Oder übersteigt diesen sogar.
Mit anderen Worten: Das ultimative „Immobilien-Schnäppchen“ bei einer Zwangsversteigerung zu machen, ist mittlerweile fast eher schon die Ausnahme als die Regel. Trotzdem kann es sich in manchen Fällen dennoch lohnen, sich ein eigenes Maximalgebot vorzunehmen und eine lohnende Immobilie zu ersteigern – mindestens die Notarkosten spart man damit. Am Ende fallen nur Grunderwerbs- und Gerichtskosten für die Zwangsversteigerung an.
Was das Maximalgebot angeht: Dafür sollte ich eine möglichst genaue Kenntnis von der Immobilie haben. Und genau das ist bei Zwangsversteigerungen manchmal gar nicht so leicht. Der ultimative Tipp ist hier wirklich: Informieren Sie sich so umfassend wie nur irgend möglich vorher!
Tipps für Interessenten: Wie informiere ich mich optimal?
- Erstens sollten Sie alle verfügbaren Versteigerungsakten des zuständigen Gerichts einsehen: Ist die Immobilie etwa mit einem Sonderrecht belastet wie dem lebenslangen Wohn- oder Nießbrauchsrecht? Dann wird es schwierig.
- Wie sehen die anderen Einträge im Grundbuch aus?
- Was beschreibt das Gutachten? Achtung: Online gibt es meist nur eine gekürzte Version, wenn überhaupt. Das Original kann aber beim zuständigen Amtsgericht eingesehen werden.
- Und natürlich: Gehen Sie vor Ort! Sehen Sie sich das Objekt von allen einsehbaren Seiten genau an, sprechen Sie mit Nachbarn.
- Prüfen Sie Erschließungskosten und Baulasten über das Bauaufsichtsamt, suchen Sie alle Dokumente, die Sie finden können – und erbitten Einsicht.
Denn eine weitere Besonderheit von Zwangsversteigerungen ist, dass niemand irgendeine Form von Haftung für das gekaufte Objekt übernimmt, Gewährleistungsansprüche haben Käufer von Immobilien aus Zwangsversteigerungen nicht.